Ich gebe zu, dass es mir früher Spaß gemacht hat, in der Öffentlichkeit zu stehen und in Talkshows aufzutreten. Ich habe es geliebt, die Rolle des Enfant terrible zu spielen und die angepassten Mitmacher und Systemkriecher zu irritieren. Je mehr Befremden meine Auftritte ausgelöst haben, desto wohler habe ich mich gefühlt. In den letzten Jahren ist mir nach und nach die Lust daran vergangen, in den Medien die Rolle des draufgängerischen Non-Konformisten zu spielen.
Der Hauptgrund dafür ist, dass die öffentlichen Debatten in Österreich und Deutschland schrecklich langweilig, geradezu tödlich langweilig geworden sind. Debatten sind zum Austausch von Stereotypen verkommen. Man hat den Eindruck, dass es irgendwo eine geheime Stelle gibt, von der täglich, in der Art eines militärischen Tagesbefehls, ein Kompendium der erwünschten Meinungen an Medien und Meinungsführer ausgegeben wird. Die Adressaten nehmen den Befehl, ohne zu murren, an und versuchen, die Wahrheiten des Tages mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, dem Publikum in die Birne zu drücken.
Der Rückzug in die kleine private Welt der Genüsse
Dem Publikum, also dem Staatsvolk, ist der tägliche, pädagogisierende Meinungsdruck überwiegend völlig egal. Es ist in politische Agonie gefallen und beschäftigt sich, was auch als eine Art Selbstschutz gesehen werden kann, mit den verschiedenen Formen der hedonistischen Selbstverwirklichung. Die, die durch die nun seit Jahren anhaltende Teuerung noch nicht verarmt und zum Lustverzicht gezwungen sind, haben sich extravagante kulinarische Hobbys zugelegt, unternehmen Kreuzfahrten, auf denen sie sich willig wie Vieh in eine homogene Konsumentenmasse verwandeln lassen, widmen sich der besessenen Optimierung ihres Körpers in Fitness-Studios oder stumpfsinnigen Wellnessresorts, ziehen sich, ohne aufzumucken, redundante Netflix-Serien rein oder befriedigen ihre infantilen, spirituellen Bedürfnisse beim exotischen Ayurveda-Guru aus Sri Lanka. Das Volk hat genug von den öffentlich-rechtlichen Manipulationsapparaten und den ihnen angeschlossenen Kaufmedien. Und ich eigentlich auch. Ich kenne in meiner Umgebung niemanden mehr, der TV-Nachrichten verfolgt oder Tageszeitungen liest, außer es ist seine berufliche Pflicht. So wie bei mir. Man ist dazu übergegangen, seinen Job routiniert zu erledigen. Emotionales Involvement ist nur mehr rudimentär vorhanden. Der Eros der öffentlichen Debatte ist erloschen.