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gegen den zeitgeist
Veröffentlicht: 24.09.2025

Carl von Ossietzky, deutscher Friedensnobelpreisträger und Opfer der Nazis, warnte bereits im Jahr 1927 davor, dass es auch die Selbstgefälligkeit der bürgerlichen Eliten ist, die den Totalitarismus an die Macht bringt. Texte des Autors sind unter dem Titel „Idiotenführer durch die Regierungskrise“ In diesem Jahr neu aufgelegt worden. 

Spiel mit der Eitelkeit statt politischen Handelns 

In den 1920er Jahren dürfte sich die politische Kultur recht wenig von der unserer Gegenwart unterschieden haben. Wie heute waren auch damals die Exponenten der bürgerlichen Parteien vorrangig mit selbstgefälligen Possenspielen und Strategien zur Erreichung persönlicher oder parteilicher Ziele und nicht mit ernsthaften Bemühungen zur Krisenlösung beschäftigt. Es erschien Ossietzky sogar, als wären demokratische Politiker bestrebt, die Krisenzeit künstlich auszudehnen, um sie länger als Hintergrundfolie für ihre Machtspiele und ihr narzisstisches Selbstdarstellungstheater benutzen zu können. Wenn Ossietzky das Treiben auf den Gängen des Reichstages beobachtete, mutete ihm dieses als fröhlich-aufgeregtes Schauspiel an und er sah bei vielen der handelnden Honoratioren die Lust, mit der sie monologisierend ihre Ideen zur Steuerreform und zur inneren Verwaltung darboten, von denen jeder wusste, dass sie niemals realisiert werden würden. Die Politik war zur Kunst um der Kunst willen degeneriert, zum Spektakel, das im Modus eines absurden rasenden Stillstandes verlief. 

Babler: Kultursnobismus statt bürgernaher Politik