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gegen den zeitgeist
Veröffentlicht: 04.06.2024

Im platonischen Dialog „Gorgias“, in dem es um die sittliche Rede geht, findet sich folgender Satz: „Schwierig nämlich und großen Lobes wert ist es, trotz großer Möglichkeiten, Unrecht tun zu können, gerecht zu leben.“ Gelegenheit macht Diebe und der Mensch ist schwach, meint also Sokrates. Weil den Herrschenden ihre Macht mehr Möglichkeiten eröffnet, Verbrechen zu begehen, begehen sie diese auch. Wer kann der Anfechtung der Korruption schon widerstehen, wenn alles so leicht und einfach ist! Zudem ist heute auch noch der Zeitgeist neoliberal. Der postmoralische Neoliberalismus gestattet den Menschen nach dem Grundsatz zu leben: Tue was Du willst, alles ist erlaubt. Wenn Du Unrecht tust, dann lass Dich bloß nicht erwischen. Und wenn doch, wirst Du schon Anwälte und Medienberater finden, die Dich aus der Sache herausboxen. Den Mächtigen gelingt es sowieso häufiger der gerechten Strafe zu entgehen. In einflussreichen Netzwerken oder Beutegemeinschaften organisiert, können sie Anklagen verhindern, indem sie die Ankläger unter Druck setzen oder überhaupt das Aufkommen von kriminellen Sachverhalten hintertreiben, weil sie genügend Geld haben, Medien zu bestechen oder als Eigentümer über sie verfügen können. Der einfache Mensch hingegen ist den Medien und der Justiz schutzlos ausgeliefert. 

Umso erfreulicher ist es, dass manchmal ein Gericht störrisch ist und nicht so funktioniert, wie die Privilegierten es gerne hätten. Das ist immer ein großer Grund zur Freude bei den machtlosen Normalos und sie sitzen dann zu Hause und reiben sich schadenfroh die Hände. Zuletzt ist ein solches atypisches Prozessergebnis dem nationalen Medienmonstrum ORF in die Quere gekommen. Der ORF wurde wegen übler Nachrede verurteilt. Eine seiner unberührbaren moderierenden Ikonen, die Politscharfrichterin Susanne Schnabl, hatte über den FPÖ-nahen Publizisten Gerald Grosz rufschädigende Unwahrheiten verbreitet.